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Kindergrundsicherung: Stresstest im Parlament: Die verpasste Chance der Lisa Paus

Bundesfamilienministerin Lisa Paus im Bundestag (Grüne)




Blutleer im Auftritt, trotzig in der Ansage: Die Kindergrundsicherung hängt im Bundestag fest – und die grüne Familienministerin Lisa Paus wirkt, als habe sie die Faxen dicke. Lisa Paus spricht von einem großen Glück, obwohl nach diesem Auftritt fraglich ist, wie ernst sie das gemeint hat. Läuft ja bekanntlich nicht so gut für die Familienministerin. Aber hier und heute, ausgerechnet am internationalen Tag der Familie, im Bundestag sprechen zu können, das empfindet Paus als erfreulichen Zufall.Dieser Zufall gibt ihr jedenfalls Gelegenheit, ein wenig Wut aus dem Bauch zu lassen. Enttäuschung und Frust zu zeigen. Denn Glücksmomente sind in Paus‘ Ressort ziemlich rar geworden – und das liegt auch an den Abgeordneten, die hier und heute unter der gläsernen Reichstagskuppel sitzen.Diese Regierung habe am meisten für Familien geleistet, betont Paus zu Beginn der Regierungsbefragung am Mittwoch, und wer sich kurz in Erinnerung ruft, wer im Ampel-Kabinett federführend für diese Familien zuständig ist, der ahnt, wen Paus da voller Tatendrang wähnt. Ihr einleitender Galopp durch die angestoßenen und umgesetzten Gesetze, sei es zur Verbesserung der Kita-Qualität oder der Erhöhung des Kindergeldes, ist daher auch eine Art Rechenschaftsbericht: Diese Regierung liefert – inklusive mir. Falls jemand daran Zweifel haben sollte. “Und ich bin sehr zuversichtlich”, sagt Paus, “dass sich auch die Kindergrundsicherung im parlamentarischen Verfahren durchsetzen wird.” Und spätestens da kippt das kurze Glücksgefühl in Zweckoptimismus.Denn ihr Gesetzentwurf zur Kindergrundsicherung treibt die Koalitionspartner mittlerweile zur Verzweiflung. Umstritten ist das Konzept, das eine Vielzahl von Familienleistungen zusammenfassen und ihre Auszahlung vereinfachen soll, in der Koalition schon lange. Zu komplex, bürokratisch und möglicherweise nicht treffsicher genug sei das Vorhaben, lautet fast einhellig die Kritik. Die SPD will nunmehr “nichts über das Knie” brechen und das Reformprojekt nur noch schrittweise einführen. Die FDP hält unlängst einen ganz neuen Gesetzentwurf für notwendig. Kurzum: Der Gesetzentwurf hängt seit dem Kabinettsbeschluss von September 2023 im Parlament fest.  FAQ Kindergrundsicherung 18:54Wie geht’s nun weiter? Und wie lässt sich das “größte sozialpolitische Reformprojekt der Ampel” (Paus) noch retten? Nun bieten Regierungsbefragungen nicht nur den Abgeordneten die Gelegenheit, ebendiese Fragen im Kreuzverhör anzubringen. Sondern auch den Ministern die Chance, ihre Politik zu erklären. An Erklärungsbedarf mangelt es in der Ampel-Koalition bekanntlich nicht, vor allem nicht bei der Kindergrundsicherung. Denn wie Paus gleichzeitig 5000 neue Verwaltungsstellen fordern konnte, ohne neue Bürokratie zu verursachen, oder zur Finanzierung von anfangs zwölf Milliarden Euro bei 2,4 Milliarden Euro landen konnte – das dürfte sich auch vielen Grünen nicht mehr erschließen. “Teil der parlamentarischen Beratungen”Doch Paus ist es erkennbar leid, als alleiniger Prellbock für das vermaledeite Ampel-Projekt herzuhalten. Viele ihrer Antworten beendet sie mit dem Zusatz, dass die Kindergrundsicherung “intensiv parlamentarisch beraten” werde oder “Teil der parlamentarischen Beratungen” sei, nachdem sie geduldig Sinn und Zweck der Kindergrundsicherung referiert hat. Inhaltlich hat sie praktisch nichts hinzuzufügen. Nun liegt die konkrete Ausgestaltung beim Parlament, lautet die Botschaft. Einerseits hat Paus einen Punkt: Tatsächlich stecken die Verhandlungen im Parlament fest, ihr Gesetzentwurf wurde vom Kabinett verabschiedet. Andererseits ist das Konzept unweigerlich mit ihrem Namen verknüpft. Wenn das Vorhaben scheitert, dann scheitert auch Paus. Jetzt den Rückzug anzutreten, kann nicht in ihrem Interesse sein. STERN PAID 44_23 IV Lisa Paus 7.40Dennoch wirkt ihr Auftritt trotzig und resigniert, nicht verbindlich oder gesprächsbereit. Die Familienministerin hätte die Gelegenheit nutzen können, einen beherzten Appell an die (wenn auch wenigen) Abgeordneten im Plenum zu richten: Einigt euch, wenn die Kindergrundsicherung noch im kommenden Jahr, wie verabredet, kommen soll. Oder dafür, mögliche Lösungswege in die Debatte einzuspeisen. Aber Paus geht nicht in die Offensive, sondern auf Distanz. Betont immer wieder, dass die Zahl der 5000 zusätzlich benötigten Verwaltungsstellen nicht aus ihrem Haus kämen, sondern auf einer Berechnung der Bundesagentur für Arbeit basierten. Was in der SPD übrigens gar nicht gut ankommt und als billiges “blame game” empfunden wird: Hauptverantwortlich sei ja immer noch die Ministerin selbst. Paus gibt sich resigniert. “Die 5000 Stellen bezogen sich auf den ursprünglichen Gesetzentwurf”, sagt sie, “inzwischen ist die Zeit, glaube ich, darüber hinweg”. Nach rund 90 Minuten ist die Regierungsbefragung beendet und Paus aus dem Kreuzverhör entlassen.  



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Author : Florian Schillat

Publish date : 2024-05-15 17:11:00

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