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Musik: Eins, zwei, Schrei – das neue Sleater-Kinney-Album animiert zum Gedankenaufstand

Portrait der Band Sleater-Kinney, zwei Frauen in glänzenden Blusen stehen nebeneinander




Die Riot-Grrrl-Band Sleater-Kinney ist nachdenklicher geworden. Das aber ziemlich laut.Was soll man machen – die Zeiten sind rau, und die Luft ist geladen. Der Konsens, sich auch im Streit zu benehmen, hat tiefe Risse bekommen. Es wird gehasst und gepöbelt statt nachgedacht und gesprochen. Irgendwann fällt es auch den Geduldigen schwer, sich das weiter anzuhören.Auf die Wut folgt die Wut auf die Wütenden, und die artikuliert sich in Sprache und Sound. Womit wir bei zwei Alben (siehe auch folgende Seite: Green Day) dieser Woche wären, die laut und voller Groll sind, hört man aber genauer hin, auch voll von rotziger Poesie, was guten Rock und guten Punk auszeichnet.Knapper, schnell gespielter Minimal-RockCorin Tucker und Carrie Brownstein, die sich als Band Sleater-Kinney nennen, haben sich, wie viele aus der Riot-Grrrl-Szene, dem Klub der lauten Frauen, vor 30 Jahren in der Stadt Olympia im US-Staat Washington gegründet. Die liegt südlich von Seattle, wo in den Jahren davor der Grunge entstanden war, ein puristischer Wut-Rock, gespielt auf Gitarre, Bass und Schlagzeug und mit Texten, die mal gesungen und mal gebrüllt wurden, meist von Männern.Sleater-Kinney sind seit ihrer Gründung die entschieden feministische Antwort darauf: knapper, schnell gespielter Minimal-Rock mit Texten, die von den “patriarchalisch gedrillten Vorstellungen” (“Die Zeit”) einer Gesellschaft befreien sollten. “Call the Doctor” und “Dig Me Out” waren in den 90er-Jahren die Alben, die Sleater-Kinney, die damals noch als Trio spielten, bekannt machten. Die Zeitschrift “Entertainment Weekly” attestierte Corin Tucker einen “muskulösen Stil an der Gitarre”. Doch irgendwann ließ der Dampfdruck nach; von 2006 bis 2015 ruhte die Band.STERN PAID Tina Turner und die Liebe 18.57Nach langem Warten nun das neue Album von Sleater-KinneyMit “Little Rope” kommt nun das elfte Album von Sleater-Kinney heraus. Es hat, wie manche Kritiker bemängeln, nicht mehr die rohe Wut ihrer frühen Platten, sondern in vielen Songs die Nachdenklichkeit und auch Trauer, die Menschen erleben, wenn sie älter werden oder wenn sie wie Carrie Brownstein ihre Eltern durch einen Autounfall verlieren. Dieser Einschnitt ins Leben veränderte und färbte das ganze Album, das sie im Herbst 2022 einspielten. Auch die schon fertigen Stücke wurden überarbeitet.Sleater-Kinney: “Little Rope” Und das hört man, es sind ein Hadern und eine Suche nach Sinn, die sich durch Songs wie “Hell” (“Hölle ist Verzweiflung und ein junger Mann mit einem Gewehr”) oder “Dress Yourself” (“Zieh dir Kleider an, die du liebst, für eine Welt, die du hasst”) ziehen und dem immer noch entschiedenen Gitarrenspiel eine zweite Dimension der persönlichen Trauer und Verzweiflung geben. Wie ein Schrei, der herauswill, um sich zu befreien. Es sei, urteilte das Magazin “New Yorker”, das “zärtlichste Album” der Band, “das Vergebung für den Menschen zum Ausdruck bringt, der das Unerträgliche nicht ertragen kann. Es ist ein Album, das versteht, dass es genauso vernünftig wäre, das Haus nicht zu verlassen, wie sich selbst dazu zu zwingen, es doch zu tun.”Man muss in “Little Rope” etwas herum-hören, um eine Stimmung der Furcht herauszuspüren. Gegen diese Stimmung mobilisieren Sleater-Kinney mit ihren kantigen Rocksongs, animieren zum Gedankenaufstand. Ein tröstender Energie-Booster, auch im Sinne der großen Diana Ross, die einmal sagte: “Anstatt in die Vergangenheit zu schauen, stelle ich mir die nächsten zwanzig Jahre vor und überlege, was ich brauche, um dorthin zu kommen.”



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Author : Jochen Siemens

Publish date : 2024-01-21 16:41:00

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