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Journalistin Birte Meier: Sieg für Equal Pay! Oder warum es Frauen immer noch so schwergemacht wird, gleich viel zu verdienen

Journalistin Birte Meier




Kaum einer weiß, was die Kollegen verdienen, kaum eine traut sich zu klagen. Der Kampf gegen Lohndiskriminierung gestaltet sich zäh. Wer sich trotzdem traut, kann viel gewinnen.Dieser Text stammt aus dem stern-Archiv und erschien zuerst am 28. August 2023. Anlässlich des Internationalen Frauentags veröffentlichen wir ihn an dieser Stelle erneut. Machen ist wie wollen, nur krasser. Acht Jahre habe ich gegen meinen ehemaligen Arbeitgeber auf Equal Pay geklagt. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit – das kann doch nicht so schwer sein, hatte ich gedacht. Gleichberechtigung garantieren schließlich das Grundgesetz sowie die Europäischen Verträge. Doch das Verfahren, das mich einmal bis zum Bundesverfassungsgericht führte und dann zurück an die erste Instanz in Berlin, gestaltete sich äußerst mühsam. Immerhin: Umsonst war es nicht. Das ZDF und ich haben uns geeinigt. Vom Marathon-Prozess bleibt ein Grundsatzurteil, von dem alle Frauen profitieren, eine Überweisung für mich und die Gewissheit: Es bleibt viel zu tun. Doch es geht langsam voran.Den Auftakt des juristischen Dramas machte seinerzeit Arbeitsrichter Michael Ernst. Meine besserverdienenden Männer hätten einfach “besser verhandelt”, mutmaßte er 2016: “Das nennt man Kapitalismus”. Außerdem würden Frauen ja bekanntlich schwanger. “Willkommen im Mittelalter” protestierte damals eine Freundin lautstark im Publikum. “Ruhe auf den billigen Plätzen”, herrschte der Mann, den der Staat bestellte, um über mein Grundrecht auf gleichen Lohn für gleiche Arbeit zu richten, die Frauen auf den Holzbänken an: “So einfach, meine Damen, ist das nicht, auch wenn sie noch so laut stöhnen.”PAID Equal Pay Day Birte Meier 11-00Dumme Sprüche gehören dazuDumme Sprüche gehören zum Begehr auf Equal Pay offenbar dazu. Aber eben auch viel Anerkennung: “Ein Postbeamter hat quer durchs Amt gerufen: Ich drücke Ihnen die Daumen für Ihre Klage!”, erzählt Astrid Siemes-Knoblich im stern-Interview vor fünf Monaten. Die ehemalige Bürgermeisterin der Stadt Müllheim im Markgräflerland verdiente weniger als ihr Vorgänger und ihr Nachfolger: “Was für eine Klatsche ins Gesicht!” Die parteilose 61-Jährige, die heute als Unternehmensberaterin arbeitet und einst über die CDU-Liste in den Kreisrat zog, meint: “Eine Demokratie ist aber nicht vollständig, wenn nicht alle gleich teilhaben können.”Mit drei aktiven Klägerinnen hatte ich damals gesprochen. Inzwischen haben alle gewonnen oder im Rahmen eines Vergleichs Geld gesehen. Astrid Siemes-Knoblich sprach das Verwaltungsgericht Freiburg gut 50.000 Euro zu, zuzüglich Pensionsansprüchen. Gabriele Gamroth-Günther, Juristin bei der VGH-Versicherung, erreichte erst ein Grundsatzurteil vor dem Bundesarbeitsgericht. Danach verglich sie sich mit ihrem Arbeitgeber. Und auch Susanne Dumas ehemalige Firma, die Photon Meissener Technologies aus Meißen, musste zahlen: Rund 20.000 Euro rückwirkendes Gehalt plus 2.000 Euro Schmerzensgeld. “Ich widme diesen Erfolg meinen beiden Töchtern und stellvertretend allen Frauen in Deutschland. Seid mutig, seid laut und lasst euch niemals die Butter vom Brot nehmen!”, erklärte Dumas im Februar nach ihrem Sieg vor dem Bundesarbeitsgericht. Bei der Urteilsverkündung rollten ihr Tränen der Erleichterung über das Gesicht.Zähe Verfahren, untätige PolitikDass sich die Verfahren für Frauen überaus zäh gestalten können, hat auch die Politik zu verantworten. Legen Unternehmen es nämlich darauf an, müssen ihre Mitarbeiterinnen über jedes noch so dämliche Detail vor Gericht streiten. Vieles regeln eigentlich die frauenfreundlichen Richtlinien und die Rechtsprechung aus Europa. Doch diese setzten die Bundesregierungen nicht vollumfänglich um. So müssen sich nun einzelne Frauen – auch, wie bei mir mit Unterstützung der gemeinnützigen Gesellschaft für Freiheitsrechte – bis in die oberen Instanzen kämpfen, damit diese umsetzen, was die Politik seit den 1970er Jahren verweigert.2017 versprach die Politik Abhilfe. Ein Wortungetüm namens Entgelttransparenzgesetz soll Frauen seitdem zu gleichen Löhnen verhelfen. Doch schon Transparenz schafft es nur selten – und wenn, dann nur ein bisschen: Statt konkreter Zahlen gibt es einen “Median”, ein mittleres Gehalt der männlichen Kollegen. Aber nur, wenn mindestens sechs von ihnen einen vergleichbaren Job verrichten. Vorausgesetzt, der Betrieb beschäftigt mindestens 200 Mitarbeiter. “Die derzeitige Gesetzgebung ist da eher ein zahnloser Tiger”, räumte sogar die amtierende Bundesfrauenministerin vergangenes Jahr ein: “Wir brauchen klarere Berichtspflichten, und wir brauchen auch klare Prüfpflichten für Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber”, forderte Lisa Paus von den Grünen in einer ZDF-Sendung.Nur: Was tut sie dafür? STERN PAID 29_23 Interview Familienministerin Lisa Paus 18.45Reden statt HandelnVor wenigen Tagen stellte sich die Bundesregierung wieder ein vernichtendes Zeugnis in puncto Equal Pay aus. Zur Evaluation verpflichtet sie das Gesetz. Heraus kommt dann ein Wälzer, der auf mehreren hundert Seiten in viele Worte fasst, was berufstätige Frauen längst wissen: Das Gesetz funktioniert nicht. Frauen verdienen weiterhin weniger als Männer.Hier einige ernüchternde Auszüge:Weniger als die Hälfte der Beschäftigten kennt das Gesetz überhaupt.Gerade mal vier Prozent haben einen Antrag auf Auskunft gestellt.Nicht einmal jedes dritte Unternehmen überprüft seine Entgeltstrukturen.”Hinsichtlich der Wirksamkeit und Anwendung des Entgelttransparenzgesetzes”, räumt die Bundesregierung etwas umständlich ein, nehme man “zur Kenntnis, dass im Vergleich zur Vorgängerevaluation nur punktuelle Verbesserungen zu verzeichnen sind.” Das ist wahrlich nicht viel, zumal auch die vorhergehende Evaluation schon vernichtend ausgefallen war. Am Gesetz geändert wurde damals trotzdem nichts.Was also soll nun geschehen? Das Bundesfrauenministerium möchte “Handlungsempfehlungen auswerten” und das Gutachten “zusammen mit der Fachöffentlichkeit und den Sozialpartnerinnen und -partnern diskutieren.” Im Klartext: Die Bundesregierung will reden. Irgendwann später einmal: Handeln. Vielleicht.Wirtschaftslobby versus FrauenrechteWarum tut sich die Politik bloß so schwer? Mit einer unbereinigten Lohnlücke von 18 Prozent gehört Deutschland im europäischen Vergleich weiterhin zu den Schlusslichtern. Andere Länder nehmen längst die Arbeitgeber in die Pflicht anstelle der Frauen. Deutschland aber beachtet weniger die Belange seiner Bürgerinnen als die der Wirtschaft.Ein Beispiel lieferte Ende 2022 die Verabschiedung einer neuen europäischen Richtlinie. Die hat das Zeug zum wahren Equal Pay-Turbo: Alle Arbeitnehmer, Männer wie Frauen, sollen das Recht auf Auskunft erhalten – egal, wie groß der Betrieb ist. Firmen mit mehr als 100 Beschäftigten müssen ihre Entgeltlücken veröffentlichen. Nicht mehr einzelne Frauen sollen klagen müssen, sondern an ihrer statt könnten Verbände vor Gericht ziehen – eine enorme Erleichterung. Doch als die Botschafter der EU-Staaten abstimmen sollten, kniff die Bundesregierung. Sie enthielt sich. Laut der Nachrichtenagentur dpa konnte sich die Ampel auf keine gemeinsame Linie einigen – “trotz großzügiger Vorlaufzeiten für Unternehmen”, moniert Ministerin Lisa Paus im Dezember 2022: “Ein besonderer Wermutstropfen”. FS Bezahlung anderer Frauen-Nationalmannschaften 20.30Zankapfel gleiche LöhneFür die Umsetzung des Equal Pay-Boosters aus Europa ist das kein gutes Omen. Drei Jahre haben die Mitgliedsstaaten dafür Zeit.Der stern wollte wissen, warum sich Deutschland bei der Abstimmung enthielt und stellte Anfragen nach dem Informationsfreiheitsgesetz. Doch das Frauenministerium mauert – mit denkwürdiger Begründung: Würden die Positionen der Ressorts öffentlich, gefährde das “die freie Meinungsbildung innerhalb der Bundesregierung”. Das erschwere die Kompromissfindung und “könnte den Erfolg des ohnehin erwartbar schwierigen Gesetzgebungsverfahrens erheblich beeinträchtigen.”Equal Pay – das Grundrecht von Frauen, gleich zu verdienen – bleibt ein Zankapfel. Man darf gespannt sein, ob die Ampel tatsächlich noch versucht, die europäische Lohntransparenzrichtlinie umzusetzen – oder ob sie das ihren Nachfolgern überlässt.Olaf Scholz twittert. Mehr nicht”Wir haben 2022. Frauen und Männer sollten gleich bezahlt werden”, twitterte Bundeskanzler Olaf Scholz im vergangenen Jahr zu den Fußballerinnen und erntete dafür viel Applaus. Doch außer Lippenbekenntnissen hat seine Regierung beim Kampf gegen Lohndiskriminierung bislang nicht viel zu bieten.Dass wer sein Recht einfordert, heute nicht mehr unbedingt leer ausgeht, verdanken Frauen der Justiz. Auf die Grundsatzurteile des Bundesarbeitsgerichts setzt offenbar ein Sinneswandel an den unteren Instanzen ein.Als ich auf der Leipziger Buchmesse aus meinem Buch, “Equal Pay Now!” las, lauschte in der ersten Reihe kritisch aufmerksam ein akkurat gekleideter Herr. Vorsicht, sagte ich mir, ein Jurist! und rechnete, nach langen Jahren des Klagens sei es mir verziehen, mit einem dummen Spruch oder Ärgerem.Später stellte er sich, überaus freundlich, als Vizepräsident des thüringischen Landesarbeitsgerichts vor. Ob ich Interesse hätte, Arbeitsrichterinnen und Arbeitsrichter im Umgang mit Equal Pay-Klagen fortzubilden? An der Richterakademie zeigte man sich dann über das Gebaren des Berliner Richters acht Jahre zuvor angemessen entsetzt. Immerhin die Schmach, vor Gericht auch noch gedemütigt zu werden, dürfte schlechter verdienenden Frauen in Zukunft hoffentlich erspart bleiben.



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Author : Birte Meier

Publish date : 2024-03-07 23:15:00

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