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Versorgung der Palästinenser: Ein schwimmender Hafen vor Gaza: Joe Bidens Plan ist schlecht und voller Risiken

Flugzeuge der U.S. Air Force werfen per Fallschirm Pallets mit Versorgungsgütern am Strand von Gaza ab




Im Gazastreifen droht eine Hungerkatastrophe. Doch statt Israel zu zwingen, endlich genug Hilfe auf dem Landweg durchzulassen, will der US-Präsident Amerikas Militär einsetzen, um die Menschen übers Meer zu versorgen. Man kann sich die spektakulären Luftaufnahmen schon in etwa vorstellen, die in einigen Wochen um die Welt gehen sollen: Ein Riegel aus Pontons, flankiert von Kriegsschiffen und Hubschraubern, über schwimmende Landungsbrücken mit dem Strand verbunden – und einige Hundert Meter entfernt im Hintergrund die apokalyptische Kulisse des zerbombten Gazastreifens.So oder so ähnlich dürfte sich US-Präsident Joe Biden den schwimmenden Hafen vorstellen, den zu bauen er seinem Militär befohlen hat. Vorbild: Die improvisierten Mulberry-Häfen, über die die Alliierten nach der Landung in der Normandie 1944 ihren Brückenkopf in Westeuropa mit Nachschub versorgten. Doch die Hoffnung auf einen D-Day für Gaza, einen Wendepunkt in diesem grauenvollen Krieg, ist verfrüht. “Dies ist ein Moment für amerikanische Führungsstärke”, sagte Biden in seiner Rede zur Lage der Nation am Donnerstagabend, und unterstrich, er sei nicht mehr bereit, auf humanitäre Zugeständnisse Israels zu warten.PAID Analyse zu Bidens State of the Union7:44Der Hafenplan ist eine hochriskante PR-Aktion im WahlkampfTatsächlich aber ist der Hafen-Plan zunächst etwas ganz anderes: ein Zeichen fortgesetzter Zurückhaltung der USA gegenüber dem engen Verbündeten Israel. Und: eine hochriskante PR-Aktion im sich zuspitzenden US-Wahlkampf.”Wir begrüßen das. Gleichzeitig müssen wir wiederholen: Hilfe aus der Luft und übers Meer ist kein Ersatz für Hilfe auf dem Landweg.” Mit diesen Worten kommentierte Sigrid Kaag, UN-Hilfskoordinatorin für den Gazastreifen und ehemalige niederländische Finanzministerin die Ankündigung aus Washington. Die kaum verhohlene Kritik: Nach fast fünf Monaten uneingeschränkter Unterstützung, nach ununterbrochenen, milliardenschweren Waffenlieferungen und drei US-Vetos zugunsten Israels im UN-Sicherheitsrat übt die Biden-Regierung weiter keinen wirksamen Druck auf Israel aus, genügend Hilfsgüter nach Gaza über die bestehenden Land-Grenzübergänge in den Gazastreifen durchzulassen.Dabei wäre Hilfe auf diesem Weg viel wirksamer. Nicht nur, weil es Wochen dauern wird, den schwimmenden US-Hafen für Gaza zu bauen. Auch der logistische Aufwand ist viel geringer: Israels Häfen in Ashkelon und Ashdod, wo Hilfe für Gaza anlanden könnte, liegen keine Autostunde entfernt. Von Larnaca auf Zypern, dem geplanten Logistikzentrum der US-Hafen-Aktion, sind es fast 300 Kilometer bis nach Gaza – übers Meer.Bidens Plan entlastet IsraelIn Gaza sterben Kinder an Mangelernährung, Hunderttausende stehen am Rand einer katastrophalen Hungersnot. Israel als de facto Besatzungsmacht ist für die Versorgung der Menschen verantwortlich. Doch statt den Alliierten zu zwingen, dieser Verantwortung endlich nachzukommen, entlastet Bidens Aktion die israelische Regierung. Was Amerika an Hilfe übers Meer bringt, braucht Israel nicht mehr auf dem Landweg zu gewährleisten. Dazu kommt: Wie die Hilfe aus dem schwimmenden US-Hafen in Gaza verteilt werden soll, ist völlig unklar. Staatliche Strukturen im Gazastreifen sind weitgehend zusammengebrochen, zivile Hilfsorganisationen nur spärlich vertreten – und Soldaten des US-Militärs sollen auf keinen Fall an Land operieren. Solange die Verteilung der Hilfe von See aber nicht geklärt ist, droht Chaos. Das tödliche Chaos bei der Plünderung eines Lastwagen-Konvois vor wenigen Tagen macht deutlich: Wer helfen will, muss vor Ort dafür sorgen, dass die Hilfe zu denen gelangt, die sie am dringendsten brauchen. Wie das bei der Hilfe von See aus funktionieren soll, ist bisher völlig unklar.Auch für Joe Biden selbst ist die Hafen-Aktion mit erheblichen Risiken verbunden. Stichwort: Mission Creep. Wenn Hunderte, vielleicht Tausende US-Streitkräfte in unmittelbarer Nähe zum Kriegsgebiet im Gazastreifen operieren, können sie schnell in den Konflikt hineingezogen werden. Interview11.05Zwar hat Joe Biden versprochen: “No boots on the ground” – kein US-Soldat geht in Gaza an Land. Nur: Lässt sich das durchhalten, wenn die Verteilung der Hilfsgüter im Chaos versinkt? Wenn am Strand von Gaza in Sichtweite der GIs verzweifelte Menschen totgetrampelt oder erschossen werden? Oder wenn, auch das ein schrecklich realistisches Szenario, US-Soldaten beim Hilfseinsatz im Meer vor Gaza angegriffen oder getötet werden? Von der Hamas oder einer der anderen radikalen Gruppen vor Ort?Schränkt Amerika doch die Militärhilfe an Israel ein?Angesichts all dieser Unwägbarkeiten ist zu hoffen, dass die Hilfe über Land vielleicht doch schneller ausgebaut wird, als der Ponton-Hafen im Meer vor Gaza gebaut werden kann.Auf Anweisung aus dem Weißen Haus stellen das Pentagon und das US-Außenministerium gerade eine Liste aller in den kommenden Wochen zu genehmigenden Waffenlieferungen an Israel zusammen. Es ist das erste Mal seit Kriegsbeginn, dass Joe Biden eine solche Liste angefordert hat. Voraussetzung für die Freigabe der Lieferungen: Israel muss den USA gegenüber bis Mitte März schriftlich zusichern, dass es sich beim Gaza-Einsatz fortan an internationales Recht halten wird. Ohne einen solchen “Letter of assurances“ würden die US-Waffenlieferungen vorerst gestoppt.Diese Art von Druck aus Washington könnte viel mehr dazu beitragen, die Not der Zivilisten in Gaza zu lindern als Joe Bidens Hafen-Plan.



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Author : Steffen Gassel

Publish date : 2024-03-08 12:18:00

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