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Champions League: Stresstest für den Bundestrainer: Warum der Dortmunder Erfolg Julian Nagelsmann in ein Dilemma stürzt

Mats Hummels, Emre Can und Nico Schlotterbeck jubeln für den BVB




Wenn Bundestrainer Julian Nagelsmann in wenigen Tagen den EM-Kader beruft, trifft er eine schwierige Entscheidung: Setzt er auf das Leistungsprinzip, muss er die aufstrebenden BVB-Spieler nominieren. Doch damit würde er riskieren, die Statik der Nationalmannschaft ins Wanken zu bringen.Über Julian Nagelsmann heißt es, er sei ständig im Dienst. Selbst in diesen Wochen, da er seine Nationalspieler nur aus der Ferne sieht, weil die großen Vereinswettbewerbe noch laufen, Champions League, Europa League und die nationalen Meisterschaften. Nagelsmann bemüht sich dann erst recht um Nähe, zumindest um eine virtuelle. Er schreibt seinen Spielern Kurznachrichten, gratuliert zu Siegen, spricht Mut zu nach Niederlagen, mitunter ruft er auch an. Das Signal, das Nagelsmann damit sendet, lautet: Strengt euch an, der Bundestrainer sieht alles!Zu gern würde man jetzt einen Blick in das Whatsapp-Konto von Nagelsmann werfen. Wem hat er Dienstagnacht eine Nachricht geschrieben? Sicherlich dem Dortmunder Stürmer Niclas Füllkrug, der auch Stammkraft in der Nationalmannschaft ist. Aber was ist mit Mats Hummels, Weltmeister 2014, aussortiert von Joachim Löw, dann zurückgeholt und doch wieder fortgeschickt? Was ist mit Nico Schlotterbeck? Einst als größtes Innenverteidiger-Talent des deutschen Fußballs gefeiert, aber nach der missratenen WM 2022 in Ungnade gefallen beim DFB. Hat er ein paar Zeilen vom Bundestrainer empfangen? Und Julian Brandt? Und Karim Adeyemi? Auch sie zählten mal zu den Auserwählten, rutschten aber zuletzt auf eine Liste, die beim DFB mit “Im Blickfeld” überschrieben ist. Was ein euphemistisches Label ist für: Können wir im Moment nicht gebrauchen, vielleicht später mal, vielleicht auch nie.  Dortmund ist die Mannschaft der StundeDabei hätten Hummels, Schlotterbeck, Brandt und Adeyemi mehr verdient als nur eine Glückwunsch-SMS vom Bundestrainer für den Einzug ins Finale der Champions League. Die vier zählten nämlich nicht nur zu den Besten beim 1:0 des BVB gegen Paris Saint-Germain. Sie sind – mit Ausnahme von Adeyemi – schon seit Wochen in bestechender Form. Man könnte auch sagen: in EM-Form.Auf die Europameisterschaft im Sommer, im eigenen Land, wie es so schön heißt, hat Nagelsmann all sein Tun ausgerichtet. Beim letzten Lehrgang vor den Länderspielen gegen Frankreich und die Niederlande hat Nagelsmann erklärt, nach welchen Prinzipien er die Personalauswahl treffen werde. Es zähle vor allem “das Momentum”, er schaue, “wer von den Jungs gut drauf ist und einen Lauf hat”. Und so sah dann auch sein Kader aus: Gleich vier Spieler vom VfB Stuttgart, damals noch das Überraschungsteam der Liga, berief Nagelsmann. Das war im März. Dieses Bild, keine zwei Monate alt, ist schon wieder vergilbt. Die Mannschaft der Stunde heißt Borussia Dortmund, sie hat sich nach Wembley gekämpft, ins Endspiel der Champions League, höher hinaus geht es nicht in Europa. Womöglich gewinnt der BVB am 1. Juni sogar den Titel. Der Dortmunder Erfolg ist nun zum Problem für Nagelsmann geworden. Nach den Siegen gegen Frankreich (2:0) und die Niederlande (2:1) hatte der Bundestrainer erklärt, der EM-Kader stehe weitgehend fest, fortan gelte es, sich einzuspielen fürs Turnier. Allenfalls auf ein oder zwei Positionen werde es noch Wechsel geben, sollten keine Verletzten zu beklagen sein.  BVB-PSG Presse 7:02Julian Nagelsmann tappt in eine FalleUnd jetzt dieser Triumphzug des BVB. Nagelsmann ist in eine Falle getappt, die er sich selbst gestellt hat. Wie er auch entscheidet am 16. Mai, wenn er seinen Kader für die EM bekannt gibt: Nagelsmann wird sich angreifbar machen. Lässt er die aufstrebenden Dortmunder zu Hause, wird der Vorwurf lauten, Nagelsmann setze das Leistungsprinzip außer Kraft. In der Nationalmannschaft müssten per Definition die Stärksten spielen und nicht diejenigen, denen der Bundestrainer im März Treue geschworen hat. Nimmt er die Dortmunder mit zur EM, wird es heißen: Da hat sich die Mannschaft gerade gefunden, schlägt sogar den WM-Zweiten Frankreich, und was tut der Bundestrainer? Reißt sie vier Wochen vor dem Eröffnungsspiel auseinander. Wie kann man nur.Ein Dilemma, unauflösbar selbst für einen findigen Trainer wie Nagelsmann. Wer dessen Wirken beim DFB beobachtet, kann allerdigs eine Ahnung davon bekommen, wie Nagelsmann sich entscheiden wird. Einen großen Umbau des Kaders wird er nicht wagen. Zu nah ist ihm noch der November, als er in der Kritik stand wegen seiner Experimente. Gegen die Türkei (2:3) und Österreich (0:2) hatte Nagelsmann das Personaltableau kräftig durchgeschüttelt, was darin gipfelte, dass er den Stürmer Kai Havertz auf die Position des linken Außenverteidigers stellte. Das ging grandios daneben – und Nagelsmann wurde mit Häme überkübelt wie zuletzt Hansi Flick nach seinem Graugänse-Vortrag in der Amazon-Doku.Der dunkle November wirkt nach in Nagelsmann. Er möchte Ruhe und Stabilität. Im Trainingslager ab Ende Mai will er ein Gerüst bauen, das für die Europameisterschaft trägt. Dumm nur für ihn, dass während des Lehrgangs das Champions League-Finale stattfindet – und die Dortmunder erneut alles tun werden, um an diesem Gerüst zu sägen.



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Author : Christian Ewers

Publish date : 2024-05-08 12:50:00

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