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Stiftung Warentest: Nicht auch noch Tiefkühlpizza!

Detailfoto einer Tiefkühlpizza mit zerlaufendem Käse




Ich habe ein Abo der Stiftung Warentest. Nach dem Test für Tiefkühlpizza wird mein Leben noch komplizierter. Bekenntnisse eines Optimierungsfanatikers.Ich mag Salamipizza aus der Kühltruhe. Selbst wenn der Teig zu pappig, die Wurst zu salzig und der Anteil an gesättigten Fettsäuren zu hoch ist. Ofen an, Packung auf, Folie weg, Pizza rein, zehn Minuten warten, fertig. Fünf Minuten später spüre ich dann den vertrauten Stein im Bauch und schwöre mir, gleich morgen gedünsteten Broccoli zuzubereiten. Zur Buße. Und fürs Karma.

Bisher habe ich bei Tiefkühlpizza einfach im Supermarkt ins Regal gegriffen. Irgendwas gekauft, wo auf der Verpackung die Worte “Pizza” und “Salami” zu erkennen waren. Ob das Ding von Dr. Wagner oder Gustavo Günstig oder Trattoria Oetker war, war mir komplett egal. Ich mische hier mal die Markennamen, ist ja schließlich kein Werbetext. Und Stein im Bauch ist Stein im Bauch. Also ist mir die Marke komplett egal. Das war sie zumindest – bis jetzt. (Und ja, schon im überübernächsten Absatz werden echte Produktempfehlungen folgen, versprochen!)Tiefkühlpizza: In meinem Leben geht nichts ohne Urteil der Stiftung WarentestDenn jetzt hat die Stiftung Warentest leider Tiefkühlpizza getestet. Und nichts ist in meinem Leben mehr so, wie es einmal war: An die Tests der Stiftung Warentest glaube ich mit fast religiöser Inbrunst. Ich scheue da weder Mühen noch Kosten. Sogar ein digitales Test-Abo habe ich abgeschlossen. So weiß ich immer, was das beste Buntwaschmittel ist und was das beste Katzenfutter. Dabei habe ich gar keine Katze. Ich weiß auch, welcher Fleckentferner was taugt und welche Wohngebäudeversicherung. Dabei habe ich auch kein Haus.Stiftung Warentest: Tiefkühlpizza 16.50

Dafür habe ich Rituale: Ich mache mit dem Handy einen Screenshot vom Testsiegerprodukt und speichere das Foto im Ordner “Testsieger”. Schließlich bin ich ein ordentlicher Mensch. Ein Kontrollfreak. Ein Zwangsgestörter. Und ein Optimierungssüchtiger beim Wochenend-Einkauf. Der wird jetzt – Danke, Stiftung Warentest! – noch komplizierter.Für mich nur das Beste. Das Allerbeste.Denn natürlich kann ich ab sofort nicht mehr die “Gustavo Gusto Steinofenpizza Salame” für – “mittlerer Ladenpreis” – 4,70 Euro kaufen. Denn diese Pizza ist laut Stiftung Warentest nur “befriedigend”, bei der “ernährungsphysiologischen Qualität” (ein Begriff, der in jeden Einbürgerungstest gehört!) aber “mangelhaft”. Denn, so stellten die Tester fest: “Sehr hoher Brennwert, viel Fett, sehr viel gesättigte Fettsäuren, sehr viel Salz”.  Ergebnis: “Führt zur Abwertung”.

Ich kann unmöglich ein Produkt kaufen, das im Urteil zur Abwertung führt. Da fühle ich mich ja selbst abgewertet! Ab sofort muss ich also, nachdem ich im Discounter achtlos am Tiefkühlregal vorbeigerauscht bin, noch irgendein Geschäft finden, das die “Freda Salami Sensation”, “mittlerer Ladenpreis” 7,40 Euro, führt. Denn nur die hat das “sensorische Urteil” von 1,0 bekommen: sehr gut. Besser geht’s nicht. Ich könnte auch einfach “Original Wagner – Die Backfrische Salami” kaufen, “sensorisches Urteil” 1,5. Ebenfalls sehr gut. Kostet weniger als die Hälfte der Freda und hat überdies noch die bessere “ernährungsphysiologische Qualität”. Preis Leistungsieger der Stiftung Warentest 16.04Aber hält mein schwaches Ego das aus? Werde ich nicht eines Tages auf dem Sterbebett klagen: “Du hast nie geschmeckt, welches Fest am Gaumen die sensorische Qualität der mit 1,0 optimal bewerteten Salami Sensation auslöst?” Ich muss darüber nachdenken. Vor allem, seit ich begriffen habe, dass man die Salami Sensation nur online bestellen kann. Tiefgekühlt. Kostenloser Versand schon ab 69,90 Euro.Ich kaufe jetzt das beste Katzenfutter. Aber ich habe keine Katze.Aber jetzt muss ich erstmal quer durch den Stadtteil zu Rossmann fahren. Unser “Domol Colorwaschmittel” – Test-Qualitätsurteil gut (1,9) – ist alle. Vielleicht schaffe ich es hinterher auch noch ein Stück weiter zu dm, wo ich noch eine Flasche “Denkmit Fleckenspray” – “Fleckentfernung” gut (2,5), “Nutzerfreundlichkeit der Verpackung” sehr gut (1,5) – kaufen werde. Und zum Abschluss hetze ich dann noch zu Netto und erwerbe einen 2000-Gramm-Beutel “Attica Knuspermenü Knusprige Mischung mit Rind”, “mittlerer Ladenpreis” 2,29 Euro, “Preis pro Tagesration” 0,07 Euro, Test-Qualitätsurteil sehr gut (1,3), “ernährungsphysiologische Qualität” sehr gut (1,0). Das ist Katzenfutter, ich weiß. Und ich habe noch immer keine Katze. Aber dafür eine Schwiegermutter mit Katze. Sie wird sich freuen. Also die Schwiegermutter. Eventuell. Und ich freue mich auch. Denn ich fühle mich in dieser unübersichtlichen, gefährlichen Welt, in der sie einem sonst den letzten Dreck andrehen, wieder ein Stückchen sicherer.



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Author : Tobias Schmitz

Publish date : 2024-09-19 16:49:00

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