Matthias Miersch soll nach stern-Informationen als Generalsekretär auf Kevin Kühnert folgen. Der Chef der SPD-Linken im Bundestag hat sich als Fachpolitiker für höhere Aufgaben empfohlen.Wenigstens auf eines kann man sich in der SPD noch verlassen. Wenn es drauf ankommt, muss es ein Niedersachse richten. Diesmal: Matthias Miersch. Der Chef der SPD-Linken vertritt im Bundestag den Wahlkreis Hannover-Land II – doch nach dem Willen des SPD-Vorstandes spricht der 55-Jährige schon bald für die gesamte Partei: Als Generalsekretär soll Miersch nach stern-Informationen auf den am Montag aus gesundheitlichen Gründen zurückgetretenen Kevin Kühnert folgen. Dem Vernehmen nach soll SPD-Fraktionsvize Miersch das Amt kommissarisch bis zum nächsten regulären Bundesparteitag im Dezember 2025 übernehmen. In der Präsidiumssitzung am Montagabend soll es einstimmige Unterstützung für die Persionalie gegeben haben, heißt es aus Parteikreisen. Jetzt war Matthias Miersch mal dran Matthias Miersch hat sich als Fachpolitiker für höhere Aufgaben empfohlen. Seit vielen Jahren kümmert sich der Fraktionsvize um die Themen Umwelt, Klima und Energie. Seine Expertise ist anerkannt, er ist ein gefragter Interviewpartner und gilt als engagierter Debattenredner. Zudem ist Miersch ist einer von vier Sprechern der Parlamentarischen Linken (PL), einer von insgesamt drei SPD-Fraktionsströmungen. Gleichwohl machte er nie durch Rebellentum von sich reden, wenn die SPD in Regierungsverantwortung schmerzhafte Kompromisse akzeptieren musste. Auch deshalb war der nächste Karriereschritt nur eine Frage der Zeit – und ließ doch lange auf sich warten. Miersch war jetzt mal dran. Seit 2005 sitzt er im Bundestag, jedes Mal hat er sein Mandat im Wahlkreis Hannover-Land II direkt gewonnen, zuletzt 2021 gegen den damaligen Vorsitzenden der Jungen Union, Tilman Kuban. Seit elf Jahren sitzt Miersch im Parteivorstand, seit 2019 führt er den SPD-Bezirk Hannover – und überreichte in dieser Funktion Ex-Kanzler Gerhard Schröder 2023 die Ehrenurkunde für 60 Jahre Mitgliedschaft in der SPD.Kühnert Analyse Rücktritt 18.05Schon seit längerem galt Miersch als möglicher Nachfolger von Fraktionschef Rolf Mützenich, sollte dieser vor Ablauf der Legislaturperiode sein Amt zur Verfügung stellen. Im Sommer 2022 vertrat Miersch den Fraktionschef sogar schon vor der Presse, aber nur, weil Mützenich an Corona erkrankt war. Mützenich blieb bis heute, obwohl ihn manche Kritik an seiner angeblich zu russland-freundlichen Haltung zum Ukraine-Krieg tief getroffen hatte.So musste Miersch sich weiter in Geduld üben. Nicht zum ersten Mal. Schon 2018, nach dem Scheitern der Verhandlungen über eine Jamaika-Koalition, war der promovierte Jurist und Strafverteidiger Miersch als Justizminister einer großen Koalition gehandelt worden. Das entbehrte nicht einer gewissen Ironie, denn im heftigen parteiinternen Streit um die Frage, ob sich die SPD ein drittes Mal in das Joch einer Koalition unter Führung Angela Merkels begeben solle, hatte er einen ungewöhnlichen Vorschlag gemacht: Wäre es nach Miersch gegangen, hätten die Sozialdemokraten der Union eine sachpolitische Zusammenarbeit angeboten, aber auf Ministerposten verzichtet. Weit kam er nicht mit dieser Idee. Und für einen Ministerposten reichte es auch nicht.2021 musste er wieder warten. Unter den niedersächsischen Sozialdemokraten, die traditionell in der Bundespolitik stark vertreten sind, musste Miersch Hubertus Heil als Minister den Vortritt lassen. Mit Boris Pistorius sitzt mittlerweile sogar noch ein zweiter Landsmann Mierschs im Kabinett von Olaf Scholz.Welche Rolle kommt dem neuen SPD-Generalsekretär zu?Nach dem überraschenden Rücktritt von Kühnert Kühnert kündigten die Parteivorsitzenden Lars Klingbeil und Saskia Esken – die seit wenigen Tagen über seinen Rückzug informiert gewesen sein sollen – eine zeitnahe Nachfolge an wollten in der Präsidiums- und Vorstandssitzung am Montagabend einen Vorschlag machen. Das ist nun geschehen, und Miersch soll’s machen. Am Dienstag soll die Personalie offiziell verkündet werden.Der Posten des Generalsekretärs gibt Miersch nun die Chance, sich weiter zu profilieren – in Maßen. Den Bundestagswahlkampf, normalerweise das klassische Aufgabengebiet eines Generalsekretärs, wird wohl nicht er verantworten, sondern Parteichef Lars Klingbeil, auch er ein Niedersachse. Dem Vernehmen nach soll das bereits am kommenden Wochenende auf der Klausur des SPD-Vorstands beschlossen werden. Mierschs Aufgabe dürfte es sein, beruhigend in die nervöse Partei hineinzuwirken. Dass Miersch kämpfen kann, hat er noch an anderer Stelle bewiesen. Als junger Rechtsanwalt kümmerte er sich auch um Asylfälle. Ende der 1990er wandte sich auf Vermittlung einer Bekannten die verzweifelte bosnische Familie Ahmetovic an Miersch. Sie war vor den Balkankriegen nach Deutschland geflohen, hatte nun Angst vor der Abschiebung. Miersch kämpfte – mit Erfolg. Adis, jüngster Sohn der Ahmetovics, geboren in Hannover, war damals gerade vier Jahre alt. Mit 15 geht er zu den Jusos und trifft bei einer Veranstaltung für Neumitglieder zufällig auf den Genossen Miersch. Heute sitzen beide gemeinsam in der SPD-Bundestagsfraktion, Ahmetovic vertritt den Nachbarwahlkreis Hannover I. “Ohne Matthias Miersch hätte es für mich in Deutschland kein Leben gegeben”, sagt der heute 31-Jährige.
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Author : Nico Fried
Publish date : 2024-10-07 17:42:00
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