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Analyse: Warum Scholz Trump vor russischen Methoden warnt

Bundeskanzler Olaf Scholz, SPD




Kanzler-Cool gegen Polit-Proll: Olaf Scholz zeigt dem designierten US-Präsidenten Donald Trump Schranken auf. Ein bemerkenswerter Vorgang, in vielerlei Hinsicht.Die Einladung ins Kanzleramt erfolgt kurzfristig, der Auftritt des Hausherrn dauert keine fünf Minuten, Fragen sind nicht gestattet. Olaf Scholz will kurz etwas loswerden, es ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit, die der Kanzler in die Kameras spricht. Bemerkenswert ist der namentlich nicht genannte, aber doch eindeutige Adressat der Scholz’schen Spontanbotschaft: Donald Trump, der designierte US-Präsident.”Die Unverletzlichkeit von Grenzen ist ein Grundprinzip des Völkerrechts”, setzt der Kanzler an und kommt zunächst auf den russischen Präsidenten Wladimir Putin zu sprechen, der durch seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine mit diesem Prinzip gebrochen habe. “Dieses Prinzip gilt und ist eine Grundlage unserer Friedensordnung”, betont Scholz. Dann folgt zentrale Satz: Im Gespräch mit anderen europäischen Staats- und Regierungschefs sei “deshalb ein gewisses Unverständnis deutlich geworden, was aktuelle Äußerungen aus den USA angeht.” Das Prinzip der Unverletzlichkeit von Grenzen gelte für jedes Land, “egal ob es im Osten von uns liegt oder im Westen”. Oder, in anderen Worten: Scholz warnt Trump vor russischen Methoden. Ruft nicht mehr nur dem russischen, sondern auch dem künftigen US-Präsidenten das Volkerrecht ins Gedächtnis. Maßregelt ihn geradezu, was “Kernbestand dessen (ist), was wir westliche Werte nennen”. Ein bemerkenswerter Vorgang, in vielerlei Hinsicht. Nur wieso das Ganze – und warum ausgerechnet jetzt? Donald Trump schockt Europa Scholz will sich in dem kurzen Winterwahlkampf bis zur Neuwahl am 23. Februar als entschlossener und besonnener Staatsmann positionieren, der auf Ausgleich und Vernunft setzt, statt Muskelspiele und Alleingänge. Will sich als erfahrener Anführer präsentieren, der stets einen kühlen Kopf bewahrt. Ein errratisch agierender Machtpolitiker wie Trump dürfte dem Kanzler damit gerade gelegen kommen. Der hatte knapp zwei Wochen vor seinem Amtsantritt in einer Pressekonferenz wahnwitzige Szenarien aufgemacht, etwa indem er sein Interesse an der zu Dänemark gehörenden Insel Grönland und den Panamakanal erneuerte. Dabei hatte Trump nicht ausgeschlossen, von wirtschaftlichen oder sogar militärischem Druck Gebrauch zu machen. PAID Was Trump plant 16.00Zudem legte Trump den Nato-Partnern nahe, künftig fünf Prozent ihrer Wirtschaftsleistung in ihre Verteidigung zu investieren. Schon im Wahlkampf hatte der designierte US-Präsident den seiner Ansicht nach säumigen Verbündeten in Aussicht gestellt, sie andernfalls den Allmachtsfantasien des russischen Präsidenten zu überlassen. Trump sparte also, wie schon in seiner ersten Amtszeit, nicht mit Drohungen, um seinen Interessen dadurch Nachdruck verleihen zu können. So oder so war die Aufregung groß, auch in Deutschland, wo schon die zukünftige Finanzierung des Zwei-Prozent-Ziels umstritten ist – obwohl der Krieg “ins Herz Europas” zurückgekehrt sei, wie Scholz sagt. Dass sich der Kanzler irgendwie und irgendwann verhalten musste, war also klar. Aufschlussreich ist die Art und Weise, wie Scholz gegen Trump koffert. Und den Kontrast zu ihm herauszuarbeiten versucht.  Olaf Scholz, das Gegenmodell? Angefangen beim Setting: Trump breitete seine wirren Forderungen in einer 70-minütigen Pressekonferenz aus, machte von seinem Privatanwesen in Mar-a-Lago im US-Bundesstaat Florida eine regelrechte Show daraus. Scholz beschränkte sich auf einen dreiminütigen Auftritt im Kanzleramt. Der Auftritt wurde so kurzfristig anberaumt, dass viele Journalisten es nicht mehr rechtzeitig zur Pressekonferenz geschafft haben. Auch das soll offenbar eine Botschaft sein, die von Scholz’ Auftritt ausgeht: Mar-a-Lago und das Kanzleramt liegen nicht nur 7900 Kilometer Luftlinie auseinander – auch die politische Distanz zwischen dem Polit-Proll Trump und Scholz könnte kaum größer sein, ebenso ihr Verständnis von Politik.Es müsse “entschlossen und besonnen” darauf reagiert werden, sagt Scholz, dass die Sicherheitslage in Europa auf absehbare Zeit sehr angespannt sei. Auf Grundlage einer gemeinsamen Bedrohungslage werde präzise bestimmt, welche militärischen Anstrengungen nötig seien. Das lässt sich als indirekte Absage an Trumps Forderung verstehen, die Verteidigungsausgaben auf fünf Prozent zu erhöhen, die Scholz nebenbei als willkürlich beziffert darstellt. Interview Scholz Heft 05.49Klare Kante, aber im Schulterschluss mit europäischen Partnern und mit kühlem Kopf: So wird Scholz’ Statement schon kurz danach von seiner SPD eingerahmt. Es sei gut, dass der Kanzler “die Initiative ergriffen” und mit europäischen Staats- und Regierungschefs über die jüngsten Äußerungen des nächsten US-Präsidenten beraten habe, sagte SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich dem stern. Wichtig sei ein Europa, das souverän und gemeinschaftlich handle – “insbesondere weil man befürchten muss, dass die US-Regierung künftig ihre Rolle unzuverlässig und impulsiv wahrnehmen wird.” Den Kanzler sieht der SPD-Fraktionschef Mützenich dabei als Gegenmodell, betont, dass ein erfahrener und kompetenter deutscher Regierungschef von “überragender Bedeutung” sei. Zwischen den Zeilen schwingt mit: Friedrich Merz, der Kanzlerkandidat der Union, hat da bislang kaum bis keine Erfahrung. Es ist Wahlkampf. Zwar hat Scholz den künftigen US-Präsidenten nicht namentlich adressiert und in seinem kurzen Statement auf scharfe Rhetorik verzichtet. Trotzdem könnte Trump die Warnung als Affront auffassen, insbesondere den indirekten Vergleich zum russischen Machthaber Putin. Und zum verbalen Gegenschlag ausholen. Möglicherweise könnte das auf Scholz’ Image, das er offenbar zu kultivieren versucht, sogar einzahlen. Gewinnbringend für das deutsch-amerikanische Verhältnis (unter Trump) wäre ein solches Scharmützel aber vermutlich nicht. Der Kanzler nimmt das Risiko offenkundig in Kauf. Ausweislich der aktuellen Umfragen muss CDU-Chef Friedrich Merz nur noch wenige Wochen warten, bis er selbst kurzfristig ins Kanzleramt laden kann.



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Author : Florian Schillat

Publish date : 2025-01-08 19:04:00

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